In Deutschland ist die Pflege ein großes Thema, das lange Zeit hauptsächlich mit älteren Menschen in Verbindung gebracht wurde. Doch gibt es auch eine andere Gruppe, die in dieser Debatte oft übersehen wird: die Young Carer, also Kinder und Jugendliche, die ihre kranken oder beeinträchtigten Angehörigen pflegen. Im Bundesland Hessen, wo fast 370.000 Menschen auf Pflege angewiesen sind, spielt dieses Thema eine besonders wichtige Rolle.
Wer sind die Young Carer?
Wie das Beispiel von Jakob Zellmer zeigt, können Young Carer bereits im Kindesalter immensen Verantwortungen begegnen. Jakob hat mit 6 Jahren begonnen, sich um seinen jüngeren Bruder Daniel zu kümmern, der im Rollstuhl sitzt. Mit der Zeit hat die Menge an Pflichten zugenommen und heute versorgt Jakob seinen Bruder mit Medikamenten, hilft ihm bei der Toilette und fährt ihn zur Physiotherapie.
Diese Situation ist nicht so selten, wie man vielleicht glauben würde. Laut einer Studie der Universität Witten-Herdecke, die 2018 im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums durchgeführt wurde, pflegen statistisch gesehen ein bis zwei Kinder pro Schulklasse ein Familienmitglied. Dies entspricht insgesamt rund 480.000 Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die zur Gruppe der Young Carer gehören. Die Dunkelziffer dürfte jedoch höher liegen.
Die Herausforderungen junger Pflegender
Young Carer wie Jakob müssen einen permanenten Balanceakt zwischen Aufpassen und Aufwachsen bewältigen. Die Pflegeverantwortung kann negative Auswirkungen sowohl auf die körperliche als auch psychische Gesundheit junger Menschen haben. Erschöpfung, Stress, Ängste oder ein Burnout sind oft die Folge.
Die negativen Auswirkungen gehen jedoch über die unmittelbaren gesundheitlichen Konsequenzen hinaus. Wie Anna Wanka, eine Soziologin, die zu Studierenden mit Pflegeverantwortungen forscht, erklärt, sind diese Menschen weniger belastbar und haben klare institutionelle Nachteile. Sie brechen eher die Schule, die Ausbildung oder das Studium ab, sind in geringer qualifizierten Berufen beschäftigt oder arbeitslos. Dies kann sich dann wie ein langer Arm durch den gesamten Lebensverlauf ziehen und bis zur Altersarmut führen.
Unterstützung für Young Carer
In Anerkennung dieser erheblichen Herausforderungen und Probleme wurde 2016 die Initiative “Young Helping Hands” gegründet. Die Gründerin, Julika Stich, kennt die Schwierigkeiten der Young Carer aus erster Hand, da sie als Kind ihre an Multipler Sklerose erkrankte Mutter pflegte. Ihre Plattform bietet einen bundesweiten Überblick über Hilfsangebote und klärt über die Situation junger Pflegender auf. Sie bietet telefonische Beratung und individuelle Unterstützung an und fungiert als erste Anlaufstelle für Betroffene.
Es ist jedoch klar, dass diese Initiative allein nicht ausreicht, um alle Probleme junger Caregiver zu lösen. Wie Susanne Zellmer, die Mutter von Jakob und Daniel, betont, ist die Sensibilisierung für die Situation junger Pflegenden eine wichtige Rolle in Gesellschaft und Politik.
Ausblick
Zum Abschluss ist eines klar: die Zahl der Pflegebedürftigen wird in Zukunft steigen und es mangelt jetzt schon an Pflegekräften. Bereits heute sind viele Kinder und Jugendliche in die Pflege ihrer Angehörigen involviert und diese Zahl dürfte in der Zukunft noch weiter steigen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, das Bewusstsein für die Situation dieser jungen Menschen zu schärfen und ihnen die Unterstützung zu bieten, die sie benötigen.
Für weitere Informationen über die Situation von jungen Pflegenden in Hessen verweisen wir Sie gerne auf den ursprünglichen Artikel, der als Quelle für diesen Blogbeitrag diente.