Spätestens bei der Beantragung von Pflegegeld wird man mit dem Thema Pflegegrade konfrontiert. Die unterschiedlichen Grade können dabei besonders bei Angehörigen für Verwirrung sorgen – Denn wie unterscheiden sich die Pflegegrade voneinander und wie stellt man diese fest? All das und auch welche Leistungen Sie zu erwarten haben, lesen Sie in dem folgenden Artikel.
Was ist ein Pflegegrad genau?
Was ist aber ein Pflegegrad nun eigentlich? Die fünf existierenden Grade geben Auskunft über Art und Schwere der jeweiligen Beeinträchtigungen, unabhängig davon, ob diese körperlich, geistig oder psychisch bedingt sind:
- Pflegegrad 1: Geringe Einschränkung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 2: Erhebliche Einschränkung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 3: Schwere Einschränkung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 4: Schwerste Einschränkung der Selbstständigkeit
- Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
Ob der Anspruch auf einen Pflegegrad besteht, wird bei der Pflegebegutachtung durch den MDK (bei gesetzlich Versicherten) oder MEDICPROOF (bei privat Versicherten) gemäß „Neuem Begutachtungsassessment“ (NBA) entschieden. Das NBA bemisst den Grad der noch vorhandenen Selbstständigkeit des Betroffenen und wird nach einem Punktesystem ausgewertet. Je mehr Punkte angerechnet werden, umso höher ist der Pflegegrad:
PG 1: 12,5 bis unter 27 Punkte
PG 2: 27 bis unter 47,5 Punkte
PG 3: 47,5 bis unter 70 Punkte
PG 4: 70 bis unter 90 Punkte
PG 5: 90 bis 100 Punkte
Wie viele Pflegegrade gibt es?
Wie bereits oben erwähnt, gibt es fünf Pflegegrade. Im Jahre 2017 wurden im Rahmen des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) die früheren drei Pflegestufen zu den fünf Pflegegraden abgeändert, um besonders Menschen mit Demenz besser zu berücksichtigen. Seitdem haben Demenzerkrankte und körperlich Pflegebedürftige gleichermaßen Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse. So gibt es seitdem für Menschen mit Demenz zwischen 154 Euro und 458 Euro mehr Pflegesachleistungen im Monat.
Alle Versicherten mit Pflegegrad 1-5 erhalten folgenden Pauschal-Leistungen von der Pflegekasse:
- Entlastungsbetrag: 125 Euro pro Monat (für die Erstattung von zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen)
- Zuschüsse zum Hausnotruf: einmalig 10,49 Euro für die Installation und monatlich 30,35 Euro für den Betrieb
- Pflegehilfsmittel zum Verbrauch: bis zu 60 Euro pro Monat
- Zuschüsse zur Wohnraumanpassung: bis zu 4.000 Euro einmalig für jede Gesamtmaßnahme der Barrierereduzierung in der Häuslichkeit wie z. B. die Installation eines Treppenlifts oder Badumbau
- Wohngruppenförderung: einmalig 2.500 bis 10.000 Euro Gründungszuschuss (für max. 4 Personen pro Senioren-WG) sowie monatlich 214 Euro Organisationszuschuss
Pflegegrad 1: Versicherte mit anerkanntem PG 1 haben keinen Anspruch auf Geldleistungen.
Pflegegrad 2-5: Versicherte mit anerkanntem PG 2-5 haben einen Anspruch auf Pflegegeld sowie auf Pflegesachleistungen, Zuschüsse zur Tages- und Nachtpflege, Kurzzeit-, Verhinderungs- und zur vollstationären Pflege.
Je nach Versorgungsform und Pflegegrad des Versicherten ergeben sich unterschiedlich hohe Geldleistungen. Das Pflegegeld beträgt monatlich bei PG 2: 316 Euro, bei PG 3: 545 Euro, bei PG 4: 728 Euro und bei PG 5: 901 Euro. Pflegesachleistungen und Zuschüsse zur Tages- und Nachtpflege gibt es monatlich jeweils im Umfang von 689 Euro bei PG 2, 1.298 Euro bei PG 3, 1.612 Euro bei PG 4 und 1.995 Euro bei PG 5. Die jährlichen Zuschüsse zur Kurzzeit- und Verhinderungspflege betragen für PG 1-5 jeweils 1.612 Euro. Im Falle einer vollstationären Pflege erhalten Versicherte monatlich 770 Euro bei PG 2, 1.262 Euro bei PG 3, 1.775 Euro bei PG 4 und 2.005 Euro bei PG 5.
Die Pflegegrad Einstufung – Das ist der Prozess
Zur Beurteilung des Pflegegrades wird eine sogenannte Pflegebegutachtung durchgeführt. Diese teilt sich in die folgenden Kategorien auf:
- Mobilität: Wie selbstständig kann sich der Begutachtete bewegen und wie gut kann er seine Körperhaltung ändern?
- Kognitiv und kommunikativ: Kann sich der Begutachtete in seinem Alltag noch vollumfänglich orientieren, also in Ort und Zeit? Kann er noch eigene Entscheidungen treffen, Gespräche führen und seine Bedürfnisse kommunizieren?
- Verhaltensweisen: Benötigt der Begutachtete Unterstützung bei psychischen Problemlagen wie Aggressivität und/oder Angstzuständen?
- Selbstversorgung: Wie gut kann sich der Begutachtete noch um die eigene körperliche Hygiene kümmern?
- Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Belastungen: Welchen Grad an Unterstützung benötigt der Begutachtete beim Umgang mit Krankheiten und Behandlungen wie z.B. Dialyse oder Verbandswechsel?
- Gestaltung des Alltags und soziale Kontakte: Wie selbstständig kann der Begutachtete seinen Tagesablauf planen und Kontakte pflegen?
Jedem pflegebedürftigen Versicherten, der zuhause gepflegt wird und Pflegegeld bezieht, steht mind. 1x im Jahr ein kostenfreier Beratungsbesuch nach § 37.3 SGB XI zur Verfügung. In vielen Fällen ist die Pflegeberatung auch verpflichtend. Dabei beurteilt der Pflegeberater nicht nur, ob die Pflege und Betreuung zuhause durch pflegende Angehörige sichergestellt ist, sondern er vermerkt im Bedarsfall auch weitere Empfehlungen in seinem Bericht. Bei einer Höherstufung können die schriftlichen Empfehlungen eine gute Argumentations-Stütze sein, um den erhöhten Unterstützungsbedarf zu rechtfertigen.
Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch
Anhand der oben genannten Kriterien lässt sich der Pflegegrad bestimmen. Diese Einstufung nimmt die zuständige Pflegekasse, die der entsprechenden Krankenkasse angeschlossen ist, vor. Ihre Pflegekasse beauftragt einen Gutachter, der die Begutachtung in der Häuslichkeit (auch im Pflegeheim) durchführt. Dabei ist es einerlei, ob Sie als Antragsteller privat oder gesetzlich versichert sind. Beide Pflegeversicherungsarten arbeiten mit Gutachtern des Medizinischen Dienstes (MD, früher: MDK) oder von MEDICPROOF zusammen.
Widerspruch bei einer falschen Pflegegrad-Einstufung einlegen
Ein Widerspruch bei einem falschen Pflegegrad lässt sich einlegen. Wichtig dabei ist, dass Sie schnell reagieren und eine Frist von einem Monat nach Zugang der Entscheidung der Pflegekasse einhalten. Sprechen Sie als Angehöriger mit Pflegeberatern oder den Pflegefachkräften des ambulanten Dienstes über die Entscheidung im Gutachten. Oder lassen Sie sich von einem Pflegestützpunkt beraten. Holen Sie sich auch Tipps von Menschen, die das Verfahren bereits durchlaufen haben und überlegen Sie sich die Optionen, die der Antragsteller oder Sie selbst haben. Den Widerspruch gegen den Pflegegrad kann nicht jeder schreiben. Dazu berechtigt sind lediglich der Versicherte selbst, sein Bevollmächtigter, eine Pflegeperson (bei ambulanter Pflege) sowie der gesetzlich bestellte Betreuer des Versicherten. Oder Sie nehmen anwaltliche Hilfe in Anspruch. Schicken Sie den Widerspruch oder als Fax (Sendebericht sicher verwahren!) an die Pflegeversicherung. Alternativ ist auch der persönliche Gang zur Geschäftsstelle der Pflegeversicherung eine Option. Lassen Sie sich in diesem Fall die Abgabe des Widerspruchs quittieren.
Sammeln Sie alle geeigneten Dokumente, damit Sie den Anspruch auf Pflegegrad vielleicht doch noch durchsetzen können. Die nachfolgenden Dokumente können dabei hilfreich sein:
- Fordern Sie alle medizinischen Dokumente wie Arztbriefe, Atteste und Entlassungsberichte bei Ärzten und Kliniken an, die zum Zeitpunkt der ersten Begutachtung noch nicht vorlagen.
- Auch die schriftlichen Empfehlungen Ihres Pflegeberaters im Rahmen eines Beratungseinsatzes nach § 37.3 können Sie den Unterlagen beilegen.
- Es kann außerdem hilfreich sein, wenn Sie konkrete „Vorher-Nachher-Beispiele“ aus dem Pflegealltag dokumentieren.
Notieren Sie hier v. a. in welchen Situationen nun erhöhter Unterstützungsbedarf vorliegt. Ein Pflegetagebuch kann Ihnen bei der Dokumentation helfen.
Pflegegradrechner – So berechnen Sie den Pflegegrad
Zwar ist die eigene Berechnung des Pflegegrades nicht rechtswirksam und muss von einer offiziellen Stelle evaluiert und bestätigt werden, jedoch hilft es schon einmal, sich selbst einen Überblick zu beschaffen. Es hilft, unter anderem folgende Fragen zu stellen:
- Kann die Person selbstständig die Position im Bett wechseln?
- Kann die Person selbstständig in einer stabilen Sitzposition bleiben?
- Kann sich die Person selbstständig umsetzen?
- Kann sich die Person selbstständig in der Wohnung bewegen?
- Kann die Person selbstständig Treppen steigen?
- Kann die Person andere Personen aus dem persönlichen Umfeld erkennen?
- Kann die Person sich örtlich/zeitlich orientieren?
- Kann die Person sich an wesentliche Dinge erinnern?
- Kann die Person mehrschrittige bzw. komplexe Alltagshandlungen absolvieren?
- Kann die Person selbstständige Entscheidungen im Alltag treffen?
- Kann die Person Sachverhalte und Informationen verstehen?
- Kann die Person Risiken und Gefahren selbst erkennen?
- Kann sich die Person in ihren elementaren Bedürfnissen mitteilen?
- Versteht die Person Aufforderungen von anderen?
- Kann sich die Person aktiv an einem Gespräch beteiligen?
- Verhält sich die Person motorisch auffällig?
- Leidet die Person nachts oft unter Unruhe?
- Verhält die Person sich selbstschädigend?
- Beschädigt die Person andere Gegenstände?
- Verhält die Person sich aggressiv gegen andere Menschen?
- Tritt die Person verbal aggressiv gegen andere Menschen auf?
- Gibt es andere stimmliche Auffälligkeiten bei der Person?
- Wehrt sich die Person gegen pflegerische Bemühungen?
- Leidet die Person unter Wahnvorstellungen und/oder Sinnestäuschungen?
- Leidet die Person unter Ängsten?
- Leidet die Person unter Depressionen/depressiven Verstimmungen?
- Zeigt die Person sozial unangemessene Verhaltensweisen?
- Wie gut kann sich die Person noch selbst waschen (vorderer Oberkörper, Intimbereich, Kopf)?
- Wie gut kann die Person selbstständig duschen oder baden?
- Wie gut kann die Person sich selbstständig an- und auskleiden?
- Wie gut kann die Person sich um die Zubereitung und das Anrichten von Speisen kümmern?
- Wie gut kann die Person selbstständig Nahrung bzw. Getränke aufnehmen?
- Wie selbstständig kann die Person auf die Toilette gehen?
- Wie häufig benötigt die Person Medikation/Injektionen?
- Benötigt die Person intravenöse Zugänge/Sauerstoff/Einreibungen/Messung von Körpertemperatur/Prothesen?
- Benötigt die Person Verbände/Abführmethoden?
- Wie oft benötigt die Person Arztbesuche/therapeutische Maßnahmen zu Hause oder außer Hause/längere Krankenhausaufenthalte?
- Wie selbstständig kann die Person ihren Alltag bestimmen und gestalten?
- Ruht und schläft die Person selbstständig?
- Beschäftigt die Person sich selbstständig?
- Plant die Person selbstständig in die Zukunft?
- Interagiert die Person mit anderen Menschen im direkten Kontakt?
- Pflegt die Person Kontakte außerhalb ihres engen Bekanntenkreises?
- Verlässt die Person die Wohnung?
- Kann sich die Person selbstständig außerhalb der Wohnung bewegen?
- Kann die Person öffentliche Verkehrsmittel benutzen?
- Kann die Person in einem PKW/Taxi mitfahren?
- Nimmt die Person an religiösen/kulturellen/sportlichen Veranstaltungen teil?
- Kann die Person für den täglichen Bedarf selbst einkaufen?
- Kann die Person einfache Aufräumarbeiten vornehmen?
- Kann die Person aufwendige Aufräumarbeiten vornehmen?
- Kann die Person finanzielle/behördliche Angelegenheiten selbst regeln?
Sie sehen bereits: es fließen eine Menge Faktoren in die Beurteilung des Pflegegrades ein, weswegen es auch besser ist, diese Fragestellungen professionellen Einrichtungen zu überlassen. Je nachdem, wie sich die Fragen für Sie beantworten lassen, lässt der Katalog aber schon mal einen ersten Eindruck darüber zu, wie es um die Pflegesituation bestellt ist.
FAQs
Welcher Pflegegrad liegt bei Demenz vor?
In manchen Fällen ist eine Pflegebedürftigkeit offensichtlich, etwa nach einem Schlaganfall oder bei einer fortschreitenden Parkinson-Erkrankung. In anderen Fällen, wie bei einer Demenz, fällt es Betroffenen und ihren Angehörigen oft weitaus schwerer, den Hilfsbedarf anzuerkennen und konsequenterweise einen Pflegegrad zu beantragen. Dabei können die Leistungen aus der Kasse eine enorme Entlastung darstellen. Dabei kommt es darauf an, wie hoch die Selbstständigkeit des Demenzpatienten ist, um den Pflegegrad feststellen zu können.
Kann man den Pflegegrad erhöhen?
Ja, es ist möglich, den Pflegegrad erhöhen zu lassen. In diesem Fall müssen Sie einen Verschlimmerungsantrag stellen. Folgende Schritte sind dabei wichtig:
- Sie brauchen kein Änderungsformular für einen Antrag auf Höherstufung. Schreiben Sie einfach – als Versicherter bzw. als Bevollmächtigter – einen kurzen formlosen Brief an die Pflegekasse (Betreff: „Bitte um Höherstufung“).
- Sie werden von der Pflegekasse ein entsprechendes Formular erhalten und evtl. noch einmal Besuch von einem Gutachter bekommen. Dieser prüft die aktuelle Pflegesituation und den Unterstützungsbedarf sowie Zustand des pflegebedürftigen Versicherten.
Wie bei einem Erstantrag gilt auch beim Antrag auf Höherstufung, dass Sie bei ernsthaftem Zweifel an der Einstufung innerhalb eines Monats einen schriftlichen Widerspruch gegen die Entscheidung der Pflegekasse einlegen können. Nutzen Sie dafür gerne unsere kostenlose Widerspruchs-Vorlage.
Wie viel Geld steht einem bei welchem Pflegegrad genau zu?
Je nach Versorgungsform und Pflegegrad des Versicherten ergeben sich unterschiedlich hohe Geldleistungen. Das Pflegegeld beträgt monatlich bei PG 2: 316 Euro, bei PG 3: 545 Euro, bei PG 4: 728 Euro und bei PG 5: 901 Euro. Pflegesachleistungen und Zuschüsse zur Tages- und Nachtpflege gibt es monatlich jeweils im Umfang von 689 Euro bei PG 2, 1.298 Euro bei PG 3, 1.612 Euro bei PG 4 und 1.995 Euro bei PG 5. Die jährlichen Zuschüsse zur Kurzzeit- und Verhinderungspflege betragen für PG 1-5 jeweils 1.612 Euro. Im Falle einer vollstationären Pflege erhalten Versicherte monatlich 770 Euro bei PG 2, 1.262 Euro bei PG 3, 1.775 Euro bei PG 4 und 2.005 Euro bei PG 5.