Warum kognitives Training im Betreuungsalltag nicht fehlen sollte

Die Tatsache, dass körperliche Funktionen und Leistungen mit dem Alter abnehmen, liegt auf der Hand: ab unserem 35. Lebensjahr bauen Muskeln, Knochendichte, Hormone und viele weitere Einheiten im Körper ab, alle Prozesse laufen langsamer ab und benötigen mehr Zeit. Viele merken das daran, dass sportliche Betätigung schneller anstrengt oder das zweite Glas Wein einem etwa am nächsten Tag plötzlich schlimmere Kopfschmerzen als früher beschert. Dennoch hat das Deutsche Ärzteblatt gute Neuigkeiten: Die meisten Leistungseinbußungen haben nicht zwingend etwas mit unserem kalendarischen, sondern dem biologischen Alter zu tun. Demnach ist der Alterungsprozess individuell sehr unterschiedlich und unterliegt […] einer Vielzahl von Einflussfaktoren. Der eigene Lebensstil, eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung entscheiden, wie alt unser Körper tatsächlich ist.  Neben der körperlichen Fitness geht es also auch darum, auch regelmäßig den Kopf zu trainieren, um die kognitiven Leistungen zu erhalten.  
Was sind “kognitive Leistungen”?

Den Begriff „kognitive Leistungen“ liest man im Zusammenhang mit geistiger Fitness oder Gedächtnistraining immer wieder. Wir alle nehmen täglich tausende Reize über unsere Umwelt wahr und reagieren auf diese. Wir nehmen wahr, wir lernen, wir erinnern, wir denken und wir verfügen über Wissen. Damit wir das alles tun können, benötigen wir kognitive Leistungen. Ableiten lässt sich das Wort kognitiv vom lateinischen Wort cognoscere und bedeutet so viel wie: erkennen, wissen. 

Kognitive Leistungen brauchen wir für viele Alltagshandlungen: Bei Gesprächen, bei der Arbeit oder der Schule, beim Laufen, beim Zeitung lesen, bei der Verrichtungen der Körperpflege, zum eigenen Schutz u.v.m. 

 

Ein Beispiel: Zähne putzen

Wir nehmen über die Augen die Position der Zahnbürste im Zahnputzbecher wahr und greifen danach. → Wahrnehmen

 

Wir erinnern uns daran, in welcher Reihenfolge die Zähne geputzt werden und welche Besonderheiten es gibt. Wenn z.B. der eine Backenzahn in den letzten Tagen stark geschmerzt hat, putzen wir ihn besonders vorsichtig, aber dennoch gründlich. Außerdem müssen wir uns jedes Mal merken, welche Zähne wir schon geputzt haben, und welche noch nicht. → Erinnern

 

Wir müssen nachdenken und nach einer Lösung suchen, vor allem, wenn etwas Unvorhergesehenes kommt. Angenommen, die Zahnpastatube ist fast leer. Was tut man dann? Welche Lösung bietet sich an? → Denken

 

Gerade dann, wenn etwas ungeplant passiert, greifen wir auf unser Wissen zurück. Wo liegen die Zahnpastatuben? Hat jemand bereits neue eingekauft? Wie bekomme ich den letzten Rest der Zahnpasta aus der Tube? Schneide ich sie auf oder rolle ich die Zahnpastatube vom Ende auf? → Wissen

 Kognitive Leistungen finden meist in derselben Reihenfolge statt – einige Leistungen können je nach Situation auch fehlen oder sich dazwischen schieben:

  • Aufmerksam sein
  • Wahrnehmen
  • Aufmerksamkeit aufrechterhalten und Informationen merken
  • Nachdenken, erinnern an Wissen, Dinge in Bezug zueinander setzen
  • Reaktion (sprechen, handeln)

Ein weiteres, spezifischeres Beispiel: Gespräch zwischen Person A und Person B

In einem Gespräch berichtet Person A über seine Reise nach Thailand. Person B nimmt die Wörter und Sätze über das Sinnesorgan Ohr wahr. Sie muss die Aufmerksamkeit bewusst auf das Gehörte lenken und dieses aufnehmen. Die Wörter und Sätze werden im Gehirn verarbeitet und eventuell für später abgespeichert. Danach kann Person B auf das Gehörte reagieren, bspw. Antworten oder Nicken. Einige kognitive Leistungen in diesem Beispiel: 

 

  • Das Gehörte wird über die Ohren wahrgenommen → auditive Wahrnehmung
  • Die Aufmerksamkeit wird gezielt auf einen Reiz gelenkt, Gespräche am Nachbartisch werden ausgeblendet → selektive Aufmerksamkeit
  • Das Gesprochene wird aufgenommen und mit bekannten, bereits abgespeicherten Wörtern abgeglichen. Die gehörte Sprache wird verstanden → Sprachverständnis
  • Kurzzeitige Speicherung (ca. 30 Sekunden) von Informationen, um auf das Gesagte zu reagieren → Kurzzeitgedächtnis
  • Lange Speicherung, um seinem eigenen Partner am nächsten Tag davon zu berichten → Langzeitgedächtnis
  • Bekannte Wörter werden aneinandergereiht und zu einem vollständigen Satz ausgesprochen → Reproduktion der Sprache 

Viele Leistungen müssen bei dieser Unterhaltung vollständig ausgeführt werden, um das Gespräch überhaupt erst führen zu können. Die folgenden Fehler können beispielsweise auftreten:

  • Einschränkung der akustischen Wahrnehmung, wenn die Person z.B. schwerhörig ist: 
    → Die Person kann dem Gesagten nicht ganz folgen und versteht nur Teile des Gesagten. 
  • Einschränkung im Kurzzeitgedächtnis, wenn die Person z.b. dement ist:  
    → Die Person kann sich die Informationen nicht kurzfristig merken.

Sobald Einschränkungen in einigen Teilen der kognitiven Wahrnehmung bestehen, gefährdet dies die vollständige Durchführung der Handlung/Situation.

Die Kognition ist demnach die “Schnittstelle zwischen uns und unserer Umwelt”. Wir nehmen Reize wahr, verarbeiten sie und reagieren darauf.

Weitere Gedächtnisleistungen & Beispiele auf unserem Tablet

Mit unserem Betreuungsangebot decken wir fünf verschiedene Bereiche ab: die visuelle Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken, Merken und die eigene Sprache.Wir erklären Ihnen, worum es sich bei den jeweiligen Bereichen handelt und wie Sie auf dem Tablet die passenden Inhalte finden.

Visuelle Wahrnehmung

  • Wahrnehmungskonstanz
    Mit der Wahrnehmungskonstanz ist gemeint, dass man Gegenstände oder Personen problemlos wiedererkennt. Und zwar auch dann, wenn sich der Betrachtungswinkel, die Entfernung oder die Helligkeit ändert. Beispiel: Ein Auto fährt vorbei und wird immer kleiner. Man erkennt trotzdem noch, dass es ein Auto ist. 
  • Figur-Grund-Wahrnehmung 
    Gegenstände können vor einem diffusen Hintergrund erkannt und wiedergefunden werden. Die Wahrnehmung wird gezielt auf einen Reiz gelenkt, die anderen optischen Reize werden ausgeblendet. Beispiel: Man findet ein bestimmtes Wort im Gitterrätsel wieder. 

Beispiele auf unserem Tablet

Auf dem Tablet haben wir unter anderem in der Kategorie Kognitives Training → Wahrnehmung → Sehen einige Übungen und Spiele zusammengestellt, die sich mit der visuellen Wahrnehmung (über die Augen) beschäftigen. Üben Sie gemeinsam das Erkennen von Bildausschnitten eines Bildes, die richtige Farbe auswählen oder einen versteckten Gegenstand suchen. Für jeden Geschmack und jede Einschränkung ist hier etwas dabei. 

Aufmerksamkeit

  • Geteilte Aufmerksamkeit bezeichnet das gleichzeitige Wahrnehmen von mehreren Reizen. Beispiel: Man fährt Auto und hört den Nachrichten im Radio zu.

     

     

  • Fokussierte Aufmerksamkeit beschreibt die Wahrnehmung eines gezielten Reizes über einen längeren Zeitraum hinweg. Beispiel: Man spült das Geschirr ab, bleibt bei der Sache. Es herrscht keine Ablenkung.

     

     

  • Selektive Aufmerksamkeit heißt, dass ein Reiz trotz Ablenkung wahrgenommen wird, während die anderen Reize ausgeblendet werden. Beispiel: Man liest das Buch weiter, obwohl im Raum ein Gespräch geführt wird.

     

     

  • Konzentration/Daueraufmerksamkeit bezeichnet die Fähigkeit, die eigene Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechtzuerhalten. Beispiel: Buch lesen, Nachrichten schauen, etc. 

Denken

  • Divergentes Denken/Kreativität bedeutet, dass alle Ideen zugelassen sind; unabhängig davon, ob sie realistisch, vernünftig oder richtig sind. Dies kommt bei der Problemlösung zum Einsatz. Beispiel: Der Kopierer ist kaputt und man versucht ihn mithilfe seiner Ideen zu reparieren.

     

     

  • Induktives Denken ist die Schlussfolgerung aus Wissen. Beispiel: Der Kopierer ist kaputt und man versucht ihn mithilfe seiner Erfahrung und seinem Wissen zu reparieren.

     

     

  •  Beim konvergenten Denken wird nur eine einzige, klar definitive Lösung für ein Problem gesucht. Beispiel: 7+2=9. Hier gibt es keine andere Lösung außer 9.

Beispiele auf unserem Tablet

In der Kategorie Denken & Logik → Wissen finden Sie sehr viele Fragen und Spiele, um die Erinnerung zu wecken und das induktive, aber auch das konvergente Denken zu trainieren. 

Merken

  • Arbeits-/ Kurzzeitgedächtnis: Informationen werden das erste Mal bewusst verarbeitet und über eine kurze Zeit gespeichert (ca. eine halbe Minute). Beispiel: Man merkt sich die Anfänge von Sätzen, um den Satz sinnvoll zu beenden.

     

     

  • Langzeitgedächtnis: Im Langzeitgedächtnis werden Informationen über einen längeren Zeitraum gespeichert, wie bspw. Fakten, Erinnerungen und Fähigkeiten. Beispiel: Man führt die routinierte Bewegung ‘Schwimmen’ aus, ohne darüber nachzudenken ODER man erinnert sich an Geburtstage.

Beispiele auf unserem Tablet

In der Kategorie Merken befinden sich viele Anwendungen zur Förderung des Kurzzeitgedächtnisses. Man muss sich Zahlen, Muster, Wörter oder Reihenfolgen merken. Diese Anwendungen können jeweils in den Schwierigkeitsstufen leicht, mittel und schwer durchgeführt werden. Ideal ist es, mit der leichtesten Schwierigkeitsstufe zu beginnen und sich langsam zu steigern. 

Lieder finden Sie in der Kategorie Singen oder Lieder. Singen fördert das Langzeitgedächtnis, verbindet Menschen und macht viel Freude. Nebenher kann man die Liedtexte auffrischen, die bei unseren Liedern auf der Unterseite mitlaufen. 

Sprache

Leseverständnis: Das Leseverständnis ist die Zusammensetzung aus vielen Kompetenzen: Worterkennung, Textverständnis, schlussfolgerndes Denken, u.v.m. 

Beispiel: Man liest einen Text und versteht den Sinn der Worte und den Inhalt.

 

Sprachverständnis: Ist die Fähigkeit, den Sinn und die Bedeutung von auditiven Äußerungen und Lauten zu erfassen. 

Beispiel: Man ist in einem Gespräch und versteht, was gesagt wird.

Wie werden kognitive Leistungen trainiert?

Im ersten Schritt sollten Sie evaluieren, welche kognitive Leistung betroffen ist. Geht es mehr um fehlende Konzentration oder ist es eher das Sprachverständnis? Nur, wenn der Schwerpunkt klar identifiziert ist, können Sie auch gezielt Fähigkeiten trainieren. 

Am besten funktioniert das Training der kognitiven Leistungen im Alltag, da dort die Aufgaben sehr vielfältig sind. Geeignet sind vor allem Dinge, die Freude bereiten, wie z.B. Kochen, Spazieren, Singen und weitere Möglichkeiten, wie z.B. gezielte Gedächtnisaufgaben, diverse Spiele o.Ä. Bei Senioren, denen manche Dinge schwer fallen, beispielsweise die Abfolge von bekannten Handlungen, ist es wichtig, ihnen Zeit zu lassen und nicht alle Aufgaben abzunehmen. 

Beispiel: 

Ein Senior hat Schwierigkeiten damit, sich Dinge in Gesprächen zu merken. Als Gesprächspartner kann man die Wortwahl und die Sprache anpassen. Das heißt konkret: So wenig Informationen wie möglich in einen Satz packen, langsam sprechen und Pausen machen. So hat der Senior Zeit, das Gehörte zu verstehen und zu verarbeiten. 

 

Die kognitiven Leistungen sind zusammengefasst alle Wahrnehmungs-, Denk-, Merk- und Reaktionsprozesse, die bei einer speziellen Handlung oder Situation im Alltag durchgeführt werden müssen. Im Alter können einige dieser Leistungen abnehmen. Um diesen Prozess zu verlangsamen, ist es wichtig, den Senior so viel wie möglich in den Alltag einzubeziehen und ihn in allen diesen Leistungsbereichen zu aktivieren. Dinge, die Spaß machen und gleichzeitig das Denk-, Merk- und Wahrnehmungsvermögen fordern, sind sehr gut dafür geeignet. 

Die kognitiven Fähigkeiten von Seniorinnen und Senioren zu fördern, ist eine Aufgabe, die viel Zeit und Geduld benötigt und enorm viel Verantwortung bedeutet. Wir möchten Ihnen mit unseren Inhalten und Beiträgen wie diesen unterstützend zur Seite stehen und Sie bei Ihrer täglichen Arbeit entlasten. Sie möchten wissen, wie Sie das Tablet im Alltag nutzen? Hier weiterlesen

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